Wieso es so schwierig ist, Grenzen zu setzen

Wieso nur fällt es so vielen Hundehaltenden schwer, Ihrem Hund Grenzen zu setzen? In unserer Coaching Praxis finden wir unzählige Beispiele von Menschen, die sich nicht wehren, wenn der Hund sie oder andere bespringt oder bedrängt obwohl es sich eindeutig unangenehm anfühlt.

Natürlich gibt es Stimmen, die sagen,  dass man den Hund AUF KEINEN FALL einschränken soll, damit er sich entfalten kann und seine positive Entwicklung nicht gebremst wird.

Die Hundetrainer Welt ist in diesem Thema sehr gespalten. Es gibt Trainer, für die sind Grenzen wichtig, andere sehen das bereits als Gewaltanwendung. Und als Hundehalter:in sind Sie womöglich verunsichert.

Wir sind dem Thema auf den Grund gegangen und haben folgende drei wichtige Punkte gefunden:

  1. Im Tierreich bedeuten Grenzen Sicherheit
  2. Für Menschen bedeuten Grenzen etwas anderes als für Tiere
  3. Wie man den Konflikt lösen kann.

 

1. Im Tierreich bedeuten Grenzen Sicherheit

Hunde sind territoriale Wesen. Sie leben in einem sozialen Verbund und empfinden einen gewissen Raum als ihr Territorium. Dort leben sie, essen und schlafen sie und dort wird der Nachwuchs aufgezogen. Man muss sich das mal bildlich vorstellen. Ein Stück Wald/Wiese/Landschaft „gehört“ einem bestimmten Rudel. Jeder der zum Rudel gehört, weiss, dass er zum Rudel gehört und einige Hunde des Rudels kümmern sich um die Sicherung der Grenzen. Jeder Eindringling wird sofort attakiert. Ihre Logik ist, diesen Raum müssen wir um jeden Preis vor Eindringlingen schützen.

Drohgebärden und Distanzierungs Aggression richtig einordnen.

Die Eigenschaften, die ein Hund zur Sicherung der Grenzen haben muss nennt man auch Drohgebärden. Diese Drohgebärden müssen so klar und nachdrücklich sein, dass der Eindringling gleich wieder umkehrt und erst gar nicht versucht, das Grundstück/Territorium zu betreten. Jeder Hund, der am Gartenzaun bellt, macht nichts anderes als mögliche Eindringlinge VOR dem Betreten des Grundstücks zu warnen. Die Drohung heisst: „Komm hier nicht rein, sonst verletze ich Dich, verschwinde!“

Die dafür notwendigen Eigenschaften sind:

  • Hohes Energielevel ausgedrückt in einer hohen Körperspannung (Rute nach oben, nach vorne gebeugter Körper)
  • Klare Signalisierung einer Barriere / Grenze (gleich einem Goalie im Fussball)
  • Aggressionsbereitschaft signalisieren (zum Beispiel durch zeigen der Zähne, direktes Anstarren, aggressives Bellen, knurren, aufgestellte Nackenhaare)
  • Eine Haltung von „ich meine es Ernst“ und die Bereitschaft für den nächsten Schritt bis hin zur Verletzung oder Vernichtung (wie angedroht).

Können gewisse Hunde diese Eigenschaften leben, dann bedeutet es für alle  anderen Hunde im Rudel Schutz und Sicherheit. Es gibt hier keine Zweifel. Ein Hund, der diese Haltung einnehmen kann, wird von den anderen Hunden als wichtig eingestuft. Wenn der was „sagt“, dann lohnt es sich zu folgen. Er/sie gibt mir als Hund Sicherheit.

 


2. Für Menschen bedeuten Grenzen etwas anderes als für Tiere

Für uns Menschen gibt es viele verschiedene Grenzen. Es gibt die Grenzen eines Landes, die Grenzen eines Grundstückes, aber auch Grenzen zwischen Bereichen. Zum Beispiel gibt es einen Bereich „Arbeit“ und einen Bereich „Zuhause“. Diese Bereiche haben ebenso Grenzen und eigene Gesetze. Auch diese Gesetze, also wie man sich zu verhalten hat, zeigen uns gewisse Grenzen auf. Also bei der Arbeit darf ich zum Beispiel nicht Fernseh schauen, dies empfinde ich als Grenze. Ich fühle mich nicht frei.

Und genau dort fängt unser Zwiespalt an.

Wir möchten möglichst frei sein und auf keinen Fall eingeschränkt werden. Dort sind wir komplett anders „gebaut“ als Hunde und Tiere allgemein. Wir haben ein Bewusstsein, das uns dazu anhält, uns selber zu erkennen, Gegensätze zu überwinden und Bereiche zusammen führen zu wollen. Ein solches Bewusstsein hat die Tierwelt nicht. Sie leben mit der Tiernatur und sind somit viel einfacher „gestrickt“. Zudem erleben wir momentan die Welt als anstrengend, da sie unglaublich stark aufgeteilt ist in sehr viele verschiedene Bereiche wie Arbeit, Ferien, Freizeit, Familie, Schule mit vielen Begrenzungen, wie man sich zu verhalten hat. Der innere Druck ist also immens und führt dazu, dass wir uns freier fühlen und weder uns noch unsere Hund einschränken möchten. Dabei vergessen wir, dass Grenzen für Tiere Sicherheit bedeutet.

Neben dem unbewussten Druck unseres Unter-Bewusstseins gibt es natürlich auch noch andere Gründe, wieso Menschen ihrem Hund keine Grenzen geben wollen:

  • sie haben Angst, der Hund mag sie nicht mehr
  • sie haben sich die Erziehung eines Hundes einfacher vorgestellt und waren sich nicht bewusst, dass Grenzen für den Hund Sicherheit bedeuten
  • sie wollten einfach einen Gefährten und Grenzen geben ist für sie anstrengend
  • sie empfinden jegliche Art von „Beschränkungs-Geste“ als Aggression und lehnen diese ab

3. Wie man den Konflikt lösen kann

  1. Anerkenne, dass Menschen und Hunde nicht gleich „gebaut“ sind. Die menschliche Psyche ist um ein vielfaches komplexer als die tierische. Und obwohl wir viele Gemeinsamkeiten haben und auch der Mensch eine „Tiernatur“ hat, so können wir mit Beschränkungen nicht so einfach umgehen wie Hunde.

  2. Erkenne, dass Hunde eine klar gesetzte Grenze als etwas völlig Natürliches empfinden. Dabei muss der Hund weder berührt noch in irgendeiner Weise verletzt werden. Wie genau man das macht, kannst Du lernen.

  3. Überlege Dir, wie Du Deinem Hund aufzeigen kannst, dass Du die Fähigkeit hast, Grenzen zu setzen. Zeig es ihm am Besten zu Hause. Hat der Hund erkannt, dass Du Grenzen setzen kannst, wird er sich draussen sicherer fühlen und einfacher von Dir führen lassen.

  4. Mach diese Übung ohne Hund: Stell Dir vor, Du müsstest Dich gegen jemanden physisch wehren. Jemand kommt Dir zu nahe und Du möchtest diese Person von Dir wegbringen. Wie fühlt sich das für Dich an? Welche Sätze tauchen in Deinem Denken auf? Es braucht weder Gewalt noch Aggression, um seinen Raum zu behaupten. Aber es braucht eine klare Haltung, ein hohes Energielevel und eine bewusste Körperhaltung um sich mit zu teilen.